Werbevideo, DSGVO und Schmerzensgeld
Das LAG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 01.06.2022 – 6 Ta 49/22) hat die sofortige Beschwerde einer Klägerin gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel, in dem ihr Prozesskostenhilfe teilweise versagt wurde, zurückgewiesen.
Sachverhalt des Hauptsacheverfahrens
Die Klägerin war von September bis Dezember 2021 als Pflegehelferin im Pflegedienst der Beklagten beschäftigt. In dieser Zeit ließ die Beklagte ein 36-sekündiges Werbevideo drehen. Darin ist die Klägerin in Ganzkörperaufnahme zu sehen, während sie in ein Auto mit der Aufschrift „Wir suchen Pflegekräfte“ einsteigt und darin sitzt. Zum Videodreh hatte sich die Klägerin nur mündlich bereit erklärt. Die Beklagte hatte die Klägerin nicht vorab über den Zweck der Datenverarbeitung und ihr Widerrufsrecht in Textform informiert. Die Beklagte veröffentlichte das Video auf „youtube“.
Verfahrensgeschichte
Mit Klageerweiterung hat die Klägerin die Beklagte aufgefordert, die weitere Nutzung des Videos zu unterlassen und Schmerzensgeld i.H.v. 6.000,00 € verlangt. Die Beklagte nahm das Video noch vor Durchführung der Güteverhandlung aus dem Netz. Die Parteien schlossen einen verfahrensbeendenden Vergleich. Die Klägerin hat Prozesskostenhilfe beantragt. Diesen hat das Arbeitsgericht für den Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld aber nur bis zu einer Höhe von 2.000,00 € bewilligt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wehrte sich die Klägerin gegen die teilweise Versagung der Prozesskostenhilfe. Die Sache wurde dem LAG zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Das LAG hielt die sofortige Beschwerde für unbegründet. Es bestände keine hinreichende Erfolgsaussicht für die Schmerzensgeldklage in Höhe von 6.000,00 €:
Prozesskostenhilfe dürfe nur verweigert werden, wenn die Erfolgsaussicht in der Hauptsache nur eine entfernte ist. Im Rahmen einer summarischen Prüfung sei zu entscheiden, ob sich die begehrte Kompensation nach den konkreten Umständen des Einzelfalls der Höhe nach innerhalb eines vertretbaren Rahmens bewegt. Die Obergrenze einer noch vertretbaren Höhe des begehrten Schmerzensgeldes sieht das Landesarbeitsgericht bei 2.000,00 €. Durch den geltend gemachten Verstoß der Beklagten gegen die Bestimmungen der DSGVO sei der Klägerin ein immaterieller Schaden entstanden. Der Rechtsanspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO erfordere über die Verletzung der DSGVO hinaus nicht zusätzlich, dass die verletzte Person einen (weiteren) von ihr erlittenen Schaden darlegt. Bereits die Verletzung der DSGVO selbst führe zu einem auszugleichenden immateriellen Schaden. Bei der Bemessung des immateriellen Schadens durch einen DSGVO-Verstoß seien alle Umstände des Einzelfalls sowie die Ausgleichsfunktion und der spezial- bzw. generalpräventive Charakter des Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu berücksichtigen. Die Beeinträchtigung der Klägerin am Recht des eigenen Bildes sei nicht schwerwiegend, da sie um die Videoaufnahmen wusste. Ferner habe sie freiwillig an dem Videodreh mitgewirkt und sich mündlich damit einverstanden erklärt. Eine Verletzung der Intimsphäre oder eine Diskriminierung seien nicht ersichtlich. Auch habe die Beklagte das Video umgehend nach Aufforderung der Klägerin aus dem Netz genommen. Die Obergrenze von 2.000,00 € sei auch in Relation zu ausgeurteilten Schmerzensgeldansprüchen in anderen Fällen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht als gering anzusehen. Insbesondere sei die Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin nicht mit dem Fall vergleichbar, den das Arbeitsgericht Münster zu entscheiden hatte. In diesem Fall hatte die Klägerin bereits schriftlich einen Vorbehalt bezüglich der Verwendung von diskriminierenden Aufnahmen geäußert.
Thomas Haschert, Mag. iur., Geschäftsführer