Die Höhe eines immateriellen Schadensersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO
In seinem Urteil vom 18.05.2022 hat das Oberlandesgericht Koblenz (Az. 5 U 2141/21) ein Bündel an Kriterien zur Bemessung des immateriellen Schadensersatzes nach Art. 82 DSGVO herausgearbeitet.
Sachverhalt
Das OLG Koblenz hatte in dem Berufungsverfahren über einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO zu entscheiden, den die Beklagte im Wege einer Widerklage gegen die Klägerin geltend gemacht hat. Die Klägerin ist ein Telekommunikationsunternehmen, das mit der Beklagten einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hat. In der Klage machte die Klägerin einen Zahlungsanspruch aus Mobilfunkvertrag geltend, dem das Landgericht Koblenz stattgab. Die Beklagte bestritt das Bestehen der Zahlungsforderung und stützte ihren widerklagenden Schadensersatzanspruch darauf, dass die Klägerin widerrechtlich einen SCHUFA-Eintrag der Beklagten erwirkte habe. Das Landgericht wies die Widerklage ab.
Rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
In seinem Berufungsurteil wies das Oberlandesgericht die Klage ab und sprach der Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 500,00 € zu.
Zur Begründung führte es aus, dass ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aufgrund wirksamen Widerrufs des Mobilfunkvertrages nicht bestehe.
Der Schadensersatzanspruch der Beklagten ergebe sich dem Grunde nach unproblematisch aus Art. 82 DSGVO, da die Klägerin eine Datenmitteilung an die SCHUFA vornahm, obwohl die Interessen der Beklagten an einer Nichtveröffentlichung ihrer Daten hinsichtlich der zwischen den Parteien noch in Streit stehenden Forderung das Interesse der Klägerin an einer Mitteilung überwogen.
Die Klägerin hat eine Pflicht nach Art. 5, 6 DSGVO i.V.m. Art. 4 Nr. 2 DSGVO verletzt. Die Forderung des Telekommunikationsunternehmens war streitig und noch nicht tituliert, so dass eine Einmeldung nicht hätte erfolgen dürfen.
Ein immaterieller Schaden ergebe sich bereits aus Ängsten, Stress, sowie Zeit- und Komforteinbußen und die potenzielle Stigmatisierung durch einen Negativeintrag bei einer Auskunftei, ohne dass dieser an Dritte übermittelt wird. Das Bestehen einer Bagatellgrenze für derartige Schadensersatzansprüche lehnte das OLG ab, unter Hinweis auf den Wortlaut und verfassungsrechtliche Bedenken, sowie die im Einklang mit Erwägungsgrund 146 zur DSGVO stehende weite Auslegung des Schadensbegriffs. Zur Bestimmung der Höhe eines immateriellen Schadensersatzanspruchs enthalte Art. 82 DSGVO keine Kriterien, sodass als Ausgangspunkt für dessen Berechnung der weit auszulegende europarechtliche Schadensersatzbegriff sei. Zu berücksichtigen seien neben der inhaltlichen Schwere des Verstoßes, seiner Dauer und dem Kontext, in dem der Verstoß erfolgte, auch die Ausgleichs-, Genugtuungs- und Vorbeugefunktion des Schadensersatzanspruchs sowie drohende Folgen und die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Um den verschiedenen Funktionen des Schadensersatzanspruchs Rechnung zu tragen, sei es nicht zwingend, die Beträge hoch anzusetzen, jedoch die Schadensersatzpflicht breit zu fassen und auch geringwertige Schäden einzubeziehen. Dafür spreche, dass ein hohes Ansetzen des immateriellen Schadensersatzanspruchs die Gefahr begründen würde, dass aus wirtschaftlichen Gründen Einmeldungen etwa bei der SCHUFA gänzlich unterblieben.
Ob die Parteien gegen das Urteil - die zugelassene- Revision zum BGH einlegen oder nicht, bleibt ebenso abzuwarten wie eine Stellungnahme des EuGH zu den aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit immateriellen Schadensersatzansprüchen nach der DSGVO.
Thomas Haschert, Mag. iur., Geschäftsführer